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Literatur

„Todes Container im Wattenmeer“ (14)

Kommissar Berger – Mord in Norden

von Lutz Müller

ein Küstenkrimi – Folge 14

Renate hatte ein ungutes Gefühl, die Bande war ihr zu schnell auf Friedrichs Forderungen eingegangen und ihr Plan der Übergabe war sehr kompliziert ausgedacht. Liefen sie alle in eine gut aufgestellte Falle? Als Maren sie per Handy von der Anwesenheit des Hans Müller auf Norderney informierte, klingelten bei ihr die Alarmglocken. Renate hatte schon einige Geldübergaben organisiert und das mit einer hohen Erfolgsquote.

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Aber in diesem Fall waren sehr viele fremde Einflüsse zu berücksichtigen. Konnten die Kollegen auf der Fähre die Sicherheit von Friedrich gewährleisten? Jetzt auch noch dieser Hans Müller.

Friedrich bewegte sich, an der weißen Düne, möglichst dort, wo sich größere Menschengruppen aufhielten. Er versuchte seine Gedanken zu kontrollieren und nicht an die Übergabe zu denken. Er schaute sich ständig die Menschen an, die ihm begegneten. Er versuchte, bekannte Gesichter zu erkennen und er war einem Nervenzusammenbruch sehr nahe. Aber es geschah nichts Außergewöhnliches. Die Zeit verrann nur langsam für Friedrich, zu langsam und er versuchte sich ab zu lenken, er setzte sich an einem gerade leer gewordenen Tisch auf der Terrasse des Ausfluglokals. Die Bedienung, eine schwarzhaarige Schönheit aus Osteuropa, musterte ihn auffällig lange, dann kam sie

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zögerlich an seinen Tisch und fragte nach seiner Bestellung:

„Ein Stück Apfelkuchen mit Schlagsahne und einen Milchkaffee bitte!“Die Kellnerin nickte in Richtung Friedrich und zog von dannen. Gefahr vorbei, dachte Friedrich und schaute sich die anderen Gäste am Nachbartisch genau an. Die Sonne schien in sein Gesicht und er zog seinen Panamahut, den er bei seinen letzten Urlaub in Meran gekauft hatte, tiefer ins Gesicht. Er verglich die Eindrücke, die er in den Dolomiten erfahren hatte mit denen hier auf der Nordseeinsel Norderney. Norden und Norddeich, die ungleichen Geschwister, Norddeich wurde aus der Not heraus zum Hafen von Norden erkoren und ausgebaut. Als Anfang des letzten Jahrhunderts das Leybuchtsiel gebaut wurde, wurde der Hafen von Norden von der Nordsee abgeschnitten. Kein direkter

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Zugang mehr zum Meer, kein brauchbarer Hafen für Norden. So wurde in Norddeich der neue Hafen für Norden gebaut und es entwickelte sich mit dem Fährdienst zu den 7 vorgelagerten ostfriesischen Inseln eine florierende Wirtschaft. Am Festland, am Strand von Norddeich entstand Wohnraum für Feriengäste und es zog damit stetig mehr Gäste nach Norddeich. Auch für Friedrich fiel der Vergleich    zu Gunsten von Ostfriesland aus, er mochte die Weite des Landes keine hohe Begrenzung oder Einengung durch Berge störte sein Blick.

An den Nachbartischen rekelten sich Jugendliche und plapperten vor sich hin, ohne dabei von ihren Handys aufzuschauen. Daneben unterhielten sich zwei Männer im mittleren Alter über ihr Golfspiel auf der Insel. Da war noch ein Ehepaar mit zwei unerzogenen Kindern, die alles andere wollten, nur nicht in Ruhe mit den Eltern ihr

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bestelltes Essen verzehren. Alles schien ungefährlich und belanglos für Friedrichs Einschätzung der Lage. Hier also warten bis die Zeit vorüberging, oder doch noch durch die Dünen zum Strand und am Wasser entlang schlendern und entspannen? Die schöne Bedienung kam und brachte die Bestellung an Friedrichs Tisch. Der Apfelkuchen duftete herrlich und erinnerte ihn an die Geburtstagsfeiern seiner Kindheit, Mutter backte den besten Apfelkuchen auf der ganzen Welt. Aber da gab es noch eine andere Erinnerung die in ihm aufkam, es gab einen ähnlichen Kuchen auf der Beerdigungsfeier seines Vaters. Warum dachte er gerade jetzt an den plötzlichen Tod seines Vaters, war das ein schlechtes Omen? Ging es Friedrich durch den Kopf.

Berger und Maren verstanden sich ohne viele Worte, wenn man mit einem Ostfriesen zusammenarbeitete musste man sich in der

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Konversation schon auf das Wesentliche konzentrieren. Obwohl Maren keine Schnattertante war, konnte Sie mit ihrer Kollegin Renate einen ordentlichen Snack halten.    Maren machte sich die ganze Zeit auf der Fähre Gedanken darüber, wo eventuelle Schwachpunkte in ihren Masterplan sein könnten. Sie tauschte sich darüber mit Berger über SMS Schreiben aus. Der wiederum hatte mehr Probleme mit dem Schreiben auf seinem neuen Handy, als mit den geschilderten Problemen von Maren.    „Du Maren, schrieb er, wir haben alles profimäßig durchdacht und nach unseren personellen Möglichkeiten organisiert, mir fällt einfach nichts mehr dazu ein!“ Maren ließ nicht locker und fragte nach dem Verbleiben dieses undurchsichtigen Hans Müller, war er auf der Fähre, oder auf der Insel gesichtet worden?“ Er soll doch laut Kenntnisstand meines Vaters heute Morgen auf die Insel gefahren sein? Ist er der gesuchte Drahtzieher der

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Bande? Dann gibt es eine neue explosive Sachlage! Wie können wir verhindern, dass er den Aktenaustausch vornimmt und dabei Friedrich umbringt?

Der hat ja dann wahrscheinlich schon mehrere Morde auf seinem Konto!“

Berger machte sich auch seine eigenen Gedanken zu Hans Müller und dessen Rolle in diesem Fall. Es galt aber alle Eventualitäten zu berücksichtigen und dabei keinen, auch nicht diesen Hans Müller zu vernachlässigen. Maren hatte recht, die Anwesenheit dieses Mannes auf der Insel verhieß nichts Gutes und er musste schnell geortet werden um Ihn unter Kontrolle zu halten. So groß wäre die Insel wohl nicht, dachte Berger, wurde aber sehr bald vom Gegenteil überrascht. Müller tauchte einfach nicht in der Nähe von Friedrich auf. Dies war erst einmal nicht schlecht, aber dann war er vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver und ein

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anderer bestellter Mörder sollte seine Arbeit machen. Also wenigstens zwei mögliche Täter an verschiedenen Orten? Berger stöhnte laut auf, die Halunken zwingen uns, uns aufzuteilen, sprach er vor sich hin. Berger informierte Maren über seine Vermutungen und sie beschlossen sich nicht um den vermuteten Köder, Hans Müller zu kümmern und sich nur auf die Bewachung von Friedrich zu konzentrieren.

Die Situation eskalierte, als plötzlich Friedrich verschwunden war. Die Beamten vor Ort meldeten, dass Friedrich von einem Toilettengang im Restaurant nicht zurück kam. Er war weder auf dem WC aufzufinden noch irgendwo im Ausflugslokal zu orten. Die Fahndung wurde von Berger sofort auf die Dünen und dem Strand an der weiße Düne ausgeweitet und eine Drohne von der Feuerüberwachung der Inselfeuerwehr angefordert. Das Gelände dort war alles

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andere als übersichtlich, eine Verfolgung in den Dünen war zu Fuß kaum möglich. Was war passiert?

Die Zielperson Hans Müller blieb unauffindbar. Die eingesetzten Suchhunde der Polizeistaffel aus Aurich hatten die Spur von Friedrich am Restaurant aufgenommen, aber am Strand kurz vor dem Wasser verloren. Die Drohne übermittelte klare Bilder von den Dünen und dem Strand, leider keine Spur von Friedrich. Da entdeckte sie ein kleines Motorboot in der Nähe der Weißen Düne, es bewegte sich vom Strand weg auf die Fahrrinne zu. Maren erkannte als erste die Möglichkeit einer Entführung von Friedrich durch ein Boot am Strand. Sie rief sofort bei der Wasserpolizei in Norddeich an und beorderte zwei Polizeiboote in Richtung von Norderney. Die Drohne nahm die Verfolgung des Motorbootes auf und übermittelte sehr scharfe Bilder vom Boot und dem

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Geschehen darauf. Berger der die übermittelten Bilder von der Drohne auswertete, erkannte zwei Frauen und einen Mann an Bord des Motorbootes, aber keinen Notar Friedrich Hagen. Der Mann an Bord war auch nicht Hans Müller und die Frauen wurden von Renate als die Personen vom Golfplatz identifiziert. Wenigsten hier ein Treffer sprach Berger genervt in seinen Bart. Aber wo war Friedrich und war er wirklich an Bord, oder schon tot? Berger überlegte, ob es vielleicht auch ein geschicktes Ablenkungsmanöver war und sie auf eine falsche Spur gelenkt wurden? Das ganze Geschehen könnte zu einem großen Fiasko für die Kommissare werden und sie würden wieder am Anfang ihrer Ermittlungen stehen und hätten wohlmöglich noch den Tod von Friedrich zu verantworten. Schlimmer konnten sich Berger und Maren die Situation nicht ausmalen. Renate versuchte sie zu motivieren und verwies auf die noch

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ausstehende Aufbringung des Motorbotes durch die Wasserpolizei. Dann erst hätten sie brauchbare Fakten und Indizien um die Lage zu bewerten.

Die 18 Uhr 15 Fähre von Norderney nach Norddeich legte    pünktlich ab, aber ohne Friedrich Hagen an Bord. Das Kleinflugzeug in Norddeich startete ebenfalls ohne Friedrich nach Hannover. Friedrich blieb für die Polizei    verschollen. War er noch auf der Insel, oder auf einem Boot auf der Nordsee, oder bereits tot und irgendwo auf der Insel in den Dünen verscharrt? Diese Fragen und noch viele andere gingen den drei Kommissaren durch ihre Köpfe, nur trauten sie es nicht vor den Kollegen so auszusprechen. Ebenfalls unentdeckt blieb der vermutliche Drahtzieher Hans Müller, auch von Ihm war keine Spur auf Norderney zu finden.

Es gab weitere schlechte Nachrichten, die beiden Entführer von Friedrich wurden auf

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einer Müllsammelstelle bei Aurich ermordet aufgefunden. Ihnen wurde die Kehle, auf der gleichen Weise wie bei dem Toten im Moor, mit einem Längsschnitt aufgeschnitten, sie waren sofort tot. Es gab Spuren, aber sie konnten auch von den Müllspuren konterminiert worden sein. Aber viel schlimmer, sie konnten nicht mehr zu ihren Auftragsgeber befragt werden. Die Kommissare vermuteten, dass sie den Verbrechern nicht nur auf den Versen, sondern auch den Auftraggebern sehr nahe gekommen waren.

Die Bote der Wasserpolizei umkreisten auf der Höhe der Seehundbänke das Motorboot der gesuchten Personen, sie näherten sich dem Boot durch enger werdender Einkreisung, dann brachten sie es auf, die Beamten enterten das gestoppte Boot und durchsuchten sofort mit gezückte Waffe das Schiff. Ohne Erfolg, es befand sich ein Mann, der sich als Türke ausweisen konnte, er war der

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Steuermann und die bereits bekannten russischen Frauen vom Golfplatz, als einzige an Bord. Die Wasserpolizei eskortierte das Motorboot zum Hafen nach Norddeich. Dort wartete Renate Berger schon gespannt auf die zwei Frauen vom Golfplatz, um sie über ihre Verwickelung mit den Morden und den 40 Toten Flüchtlingen, zu befragen. Die Männer der beiden Russinnen waren in Russland untergetaucht, die russischen Behörden ermittelten dort, auf Anfrage vom Staatsanwalt aus Hannover, zwecks Amtshilfe, nach ihnen. Aber bisher ohne Erfolg. Wo und wann immer die Kommissare auf die Verbrecher stießen, kamen sie zu Spät, oder sie wurden in die Irre geführt. Es war ein grausames Katz und Maus Spiel mit Leichen ohne Ende und immer noch kein Durchbruch bei den Ermittlungen der Kommissare aus Hannover und Aurich.

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Man durfte die Monster nicht an sich heranlassen, dachte Berger. Aber auch nicht selber zum Monster werden. Er durfte keine Emotionen zeigen, aber dabei auch nicht Kaltherzigkeit. Als er am Auffindungsort der 40 zu Tode geschundenen Flüchtlinge stand, da war er wie in Trance dagestanden ohne erkennbare Emotionen, es pulsierte aber das Adrenalin in seinen Adern. Nun die anderen bestialisch hingerichteten Verbrecher, es waren aber auch Menschen, ging es Berger durch den Kopf. Was aber waren das für Menschen, die das alles zu verantworten hatten? Alles nur für Geld und Reichtum und Macht? Er musste sie zur Strecke bringen, ausschalten und aus unserer Gesellschaft für immer entfernen wie ein Krebsgeschwür. Maren riss ihn aus seinen Gedankenschwulst und berichtete von den Ergebnissen der Forensik, bei dem Leichenfund auf der Müllhalde. Es gab endlich verwertbare Spuren berichtete Maren mit ihrer

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abgeklärte ostfriesische Art. Berger schluckte seinen Groll herunter und fragte nach Vergleichsmaterial. „Das gab es noch nicht“: antwortete Maren, aber wir arbeiten daran.

Die beiden russischen Frauen vom Golfplatz leisteten keinen Widerstand und folgten Renate ins Kommissariat nach Aurich. Renate überlegte sich auf der Fahrt von Norddeich nach Aurich, eine Vernehmungsstrategie für die beiden Frauen. Sie zeigten sich nicht überrascht, als Renate sich als Kommissarin outete, was wiederum die Kommissarin ins grübeln brachte. Wie weit ging das Intrigenspiel der Bande, kannten sie schon auf dem Golfplatz die Identität von Berger und Renate? Die beiden Frauen wurden voneinander getrennt transportiert und auch vernommen. Eine zusätzliche Absprache war damit unterbunden und half der Kommissarin Widersprüche bei der Vernehmung aufzuzeigen. Aber die Russinnen waren clever, sie

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hatten sich anscheinet auf alle Eventualitäten schon vor geraumer Zeit vorbereitet. Alles was sie als Aussage von sich gaben, war präzise und wirkte miteinander abgesprochen. Renate setzte auf Ermüdung und auf Fehler der Probanden. Die Dauerbefragung lief wie folgt ab:

Renate platzierte die erste Russin an einen kleinen runden leeren Tisch aus Holz, mitten im Vernehmungsraum, ein Tisch zwei Stühle ansonsten    nichts weiter im Raum. Kaltes Neonlicht flackerte an der Decke, das wiederum nicht von Renate inszeniert war. Eine seit zwei Tagen schon reklamierte defekte Leuchtröhre, nun kam sie Renate gelegen. Die Temperatur im Raum betrug 25 Grad Celsius    und der Sauerstoffgehalt war für drei schwitzende Personen, denn es war noch ein uniformierter Kollege im Raum anwesend, etwas dürftig. Die junge hübsche, aber etwas verschlagen wirkende Frau, saß

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nun schon 1 Stunde an diesem Tisch, mit    einem mit Leitungswasser gefüllten Glas. Nun betrat Renate den Vernehmungsraum und setzte sich ohne der Frau einen Blick zu würdigen, gegenüber und schaute sehr interessiert in die vor Ihr liegenden Akten und blätterte darin langsam Blatt für Blatt. Dann sprach Sie leise, fast schon flüsternd vor sich hin: „Und Sie sind der Kopf der Bande, der für die vielen Toten verantwortlich ist! „ Dabei blätterte Renate weiter in den Akten und brummte dabei ein „Aha hier steht’s schwarz auf weiß!“ „Was reden Sie für einen Müll, Frau Kommissarin, haben Sie einen Kasper gefrühstückt, oder sind Sie einfach irre?“ „Nun der angebliche Müll, den ich hier lese besagt, dass Spuren hinterlassen wurden, gute lesbare vergleichbare Spuren! Protokolle und Aussagen die eindeutig sind! Der irre Kasper in mir sagt, dass reicht!“ „Pah, was reicht, zu was und gegen wen? Sie haben Garnichts, sie stochern im Nebel

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und hoffen, dass ich mich von Ihnen aufs Glatteis führen lasse.

die weiteren Folgen des gesamten Romans erscheinen jeweils zum Wochenende, hier und über die Fb-Gruppe Dornumer Nachrichten.

Der Autor dieses Kriminalromans, Lutz Müller lebt in Norden.

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