Kategorien
Kriminalromane Literatur

„Todes Container im Wattenmeer“ (2)

Kommissar Berger – Mord in Norden

von Lutz Müller

ein Küstenkrimi – Folge 2

Es wurde plötzlich unruhig im Nachbarzimmer im Kommissariat und ein Kollege von Maren kam herein gestürzt. „Frau Kommissarin, wir haben einen Anruf von einem Kollegen aus Norden, er war bei der Bergung des gestrandeten Container im Wattenmeer dabei. Sie haben bei der Öffnung des Containers einen fürchterlichen Fund gemacht! Sie sollen sofort nach Norddeich- Mole kommen.“

Berger und seine Frau und Kollegin Renate, die Profilerin, begleiteten natürlich ohne Diskussion, Maren auf dem Weg nach Norddeich zum Anlegesteg im Osthafen. Auf der Fahrt überlegte jeder für sich, was

25

so fürchterliches wohl im Container gefunden wurde. Maren kannte ihren Kollegen Jansen aus Norden, er war ein guter Polizist und auf garkeinen Fall ein Übertreiber. Aber der Begriff fürchterlich passte nicht zu diesen letzten Ostfriesen auf der Polizeiwache in Norden.

Friedrich, der Notar hatte seine Kanzlei vor etwa 2 Jahren in Norden in einer Seitenstraße vom Markt eröffnet. Er war von Hannover zugezogen und hatte das Glück die freigewordene Notar Stelle seines verstorbenen Vorgängers zu übernehmen, er war mit dieser Tätigkeit ausgelastet und nur nebenbei auch als Rechtsanwalt tätig. Aber sein Umzug nach Norden erfolgte nicht freiwillig. Friedrich war keine konservative Erscheinung, was so allgemein von einem Notar, oder Rechtsanwalt erwartet wurde. Er war unscheinbar und etwas Unterwürfig in seiner Art zu sprechen. Wer ihn aber näher

26

kannte, bemerkte schnell seine Verschlagenheit, man musste bei Geschäften, schon sehr aufpassen, um nicht übervorteilt zu werden.

Aber die Leute die mit ihm Geschäfte machten waren selber zwielichtige Personen. Friedrich hielt sich immer im Hintergrund, er lies stets andere die gefährliche Drecksarbeit machen. Er war auch kein Anführer oder Chef, er war der „Strippenzieher“ im Verborgenen, der immer noch ein Trumpf im Ärmel hatte. Der sich, wenn nötig aus allem herausreden konnte und immer ein Alibi vorzeigen konnte, auch wenn er damit einen Komplizen hinhängen musste. Dieser Notar hatte in der Stadt Norden nichts Gutes im Sinn.

Als die drei Kommissare mit ihren Dienstwagen am Hafen in Norddeich ankamen, sahen sie den Container vor lauter schaulustigen Menschen nicht. „Was ist das den für eine Scheiße“, fuhr es Berger erzürnt

27

heraus.“ Ist hier Kasperletheater angesagt! Wie soll man unter diesen Umständen vernünftig arbeiten!“ Maren stieg als erste aus dem Dienstwagen aus und beorderte den Kollegen Jansen zu sich: „Was ist hier los? Warum sperren sie den Fundort nicht ordnungsgemäß ab? So können wir nicht arbeiten!““ Jansen stotterte etwas von, wird sofort erledigt, haben nicht mit so einen Andrang gerechnet.“

Berger drängelte sich als erster durch die Zuschauermenge und betrat den Container mit gemischten Gefühlen, noch immer nichtsahnend was ihn erwartete. Eine nette Gerichtsmedizinern, so um die vierzig Jahre alt kam auf ihn zu und berichtete ungefragt: „Wir haben hier 40 Leichen davon 10 Frauen und 5 Kinder. Es sind Menschen aus Nordafrika, oder von der arabischen Halbinsel. Sie sind vermutlich ertrunken, oder erstickt. Mehr nach der Obduktion!“ Berger blieb die

28

Spucke im Hals stecken, er schaute in den künstlich beleuchteten Raum, was er da sah war einen Mernschenkneul, ineinander verkrampft liegende Personen, Mann und Frau und dazwischen kleine und heranwachsende Kinder. Er vermutete, dass sie zwischen 4 und 12 Jahre alt geworden sind. Es stank entsetzlich, Renate die gerade dazu gekommen war hielt sich ein Taschentuch vor Mund und Nase. „Warum stinkt das hier so entsetzlich, kann mir das einer sagen?“ fragte Renate. Ihre Frage ging in dem allgemeinen Stimmengewirr unter. Maren blieb vor dem Container stehen und lies sich lieber aus der Entfernung von Konsti berichten. Sie hatte es nicht so mit Gerüchen.

Die am Ort eingetroffene KTU, die Kriminaltechnik, machte Fotos von den Toten und sicherte Spuren.

29

Am Anfang aller kriminalistischen Arbeit am Tatort, steht die Bildung einer Hypothese zum Tathergang. Unter Heranziehung aller sichtbaren und von Erfahrungswerten getragenen nicht sichtbaren Indizien, wird so der wahrscheinlichste mögliche Tathergang rekonstruiert. Daraus erwächst dem Ermittler die Möglichkeit sich angelehnt an seine gebildeten Hypothese, beweiskräftige Spuren zu suchen und zu sichern um  den zunächst gedachten Tatablauf zu beweisen oder zu verwerfen und um stichhaltige Hinweise auf den möglichen Täter zu finden.  Die auf diese Weise gefundenen und gesicherten Spuren sind ein Segen für die Strafverfolgung selbst, da eine ergiebige Spurensuche den zu erwartenden Ermittlungserfolg deutlich verbessert. So hoffte auch Maren auf aussagekräftige Spuren. Unterdessen war eine Anfrage von Maren an das LKA Hannover, auf Amtshilfe positiv beschieden worden, der Staatsanwalt gab

30

sein OK. So ermittelten ab sofort die beiden Hauptkommissare Berger in diesem Fall und ihr Urlaub war damit auf Eis gelegt.

Der Notar hatte von dem Boxergesicht die Information, vom Fund der 40 Leichen im gestrandeten Container, erhalten. Jetzt musste er handeln und nicht mehr den Dingen ihren Lauf lassen. „ Nur jetzt keinen Fehler machen“ sprach er leise zu sich selbst. Was war schiefgelaufen an Bord des Frachters, überlegte er und fingerte aus seiner Westentasche einen kleinen Zettel heraus, er tippte in sein Handy die dort stehende Telefonnummer ein. Er hörte ein Freizeichen, aber es meldete sich der Gesprächsteilnehmer nicht. Nun drückte er die Wiederholungstaste, wieder ein Freizeichen, der Notar wartete ungeduldig. „ Scheiße! „ entfuhr ihm der Fluch und er betrat seine Kanzlei. Dort wartete seine Sekretärin auf ihn mit einer wichtigen Nachricht von

31

einem Herrn Valentis. Er möchte dringend zurückgerufen werden, er befindet sich auf seinem havarierten Frachtschiff in der Nordsee. „Was meint der wohl was ich die ganze Zeit versuche!“ schrie er seiner Mitarbeiterin entgegen. „Der sollte einfach mal ans Handy gehen dieser Arsch“ Friedrich lief wie ein angeschossenes Wild  im Büro hin und her. Die Gedanken in seinem Gehirn liefen Amok, er musste wissen was passiert war.

Berger und seine Renate nahmen es mit Humor, sie mussten schon häufig ihren Urlaub unterbrechen, weil angeblich kein anderer Kollege abkömmlich war. In der Regel ging es aber um Kompetenzstreitigkeiten, wer für Was und Wo zuständig sei. Aber hier, in diesem Fall in Norden, halfen sie ihrer Freundin Maren gerne. Der Fall interessierte sie sehr. Es wurde von ihnen eine Sonderkommission „Container“ eingerichtet

32

und es wurde auch der Internet Spezialist vom LKA Hannover, ihr langjähriger Freund und Kollege, Jochen Schulz dazu geholt. Die eingespielte Ermittler Gruppe brauchte keine Einarbeitungszeit, sie verstanden sich auch ohne viele Worte, aus Erfahrung aus vielen gemeinsamen, erfolgreichen Ermittlungen. Die vorliegenden Fakten wurden zusammengetragen und so entstand eines möglichen Tathergangs ein Profil. Die Spurenlage war nicht so eindeutig, wie man sich das im Team erhofft hatte. Alle Fremdspuren an den Leichen waren DNA Spuren von den im Container befindlichen Leidensgenossen. Sie hatten sich im Todeskampf gegenseitig Verletzungen zugefügt. Im Rückblick auf die historische Entwicklung der kriminaltechnischen Untersuchungen, ist die DNA-Untersuchung ein eher sehr junges Verfahren zur Identitätsfeststellung einer Person. Eher zufällig entdeckte 1984 der britische Wissenschaftler

33

Sir Alec Jeffreys, dass die von ihm fotografierten Bereiche der DNA als auslesbare Muster zu erkennen waren und im weiteren Verlauf viel auf, dass diese Muster durch ihre individuelle Anordnung eine Personenidentifizierung möglich machen konnten. Im Jahr 1988 wurde dann erstmals ein genetischer Fingerabdruck vor einem deutschen Gericht als Beweismittel anerkannt und somit entwickelte sich in den nachfolgenden Jahren die DNA-Untersuchung zu einem anerkannten Verfahren im Bereich der kriminaltechnischen Untersuchungen. Bei den DNA-Untersuchungen oder auch DNA-Analysen genannten Verfahren, wird mittels einer molekularbiologischen Untersuchung menschliches Erbgut untersucht. Das hierbei zur Anwendung gebrachte PCR-Verfahren (Polymerase Chain Reaction Verfahren) ermöglicht schon bei kleinsten Mengen an DNA-fähigem Spurenmaterial, die Erstellung eines DNA-Profils einer menschlichen

34

Person. So gab es auch bei den Untersuchungen der 40 Leichen DNA Spuren die sich eindeutig zuordnen ließen. Würde man nun Vergleichsmaterial haben, könnte man die gefundene DNA einer bestimmten Person zuordnen und so seine Herkunft und vieleicht auch seine Identität ermitteln. Berger wurde in die Pathologie gerufen, er solle sich beeilen, es gäbe Fall entscheidende Informationen von den toten Flüchtlingen. Als Berger dort eintraf waren auch schon Maren und Renate anwesend. Die Pathologin machte es spannend, sie führte die Kommissare in einen separaten Raum, der war im Gegensatz zu den anderen Räumen nicht gekühlt. Auf einem großen Tisch befand sich ein großer Berg mit Kunststofftüten, in denen ein weißes Pulver zuerkennen war. Ungefragt sprach die Medizinerin: „Was glauben sie, wo ich diese Tüten gefunden habe? Im Magen und bereits in den Därmen der toten Flüchtlinge!“ Das Fragezeichen stand

35

den Kommissaren förmlich ins Gesicht geschrieben. Die Gerichtsmedizinerin referierte weiter: „ Wer ertrunken ist, oder erstickt, oder an dem Dreckszeug verstarb, weil die Beutel im Körper geplatzt waren, wird sich erst bei jeder einzelnen Obduktion herausstellen.“ Berger fand seine Sprache als erster wieder und äußerte sich. „Fest steht, diese armen Menschen wurden doppelt missbraucht, für den Menschenhandel und für den Drogenschmuggel! „ Nun ergaben sich für die Kommissare auch mögliche Motive den Container im Wattenmeer zu entsorgen. Vielleicht entdeckte man auf der Fahrt die Toten Flüchtlinge und man wollte den ganzen Container verschwinden lassen. Nur hatte der Kapitän des Frachters keine guten Kenntnisse von den örtlichen Wassergegebenheiten, denn im Wattenmeer einen Container zu entsorgen, hatte an dieser Stelle des Wattenmeers zur Folge, dass bei Ebbe der Container trockenfiel und so entdeckt

36

werden konnte. Maren beauftragte Jochen Schulz sich beim Schifffahrtsamt zu erkundigen, welche Schiffe sich in dem Zeitraum einer möglichen Entsorgung vor der ostfriesischen Küste bewegten? Er sollte sich auch im Internet umsehen, ob es auffälligen Chatverkehr im Netz gab, der Hinweise auf diesen Fall gaben. Renate konnte sich einfach nicht vorstellen wie man unbemerkt einen so großen Container über Bord gehen lassen kann? Dafür benötigte der, oder die Täter einen Krahn, oder anderes schwere Gerät. Sie äußerte diese Bedenken den Kollegen gegenüber und stellte gleichzeitig die Frage. „Weiß einer von euch ob es in der letzten Zeit in der Nordsee oder im Ärmelkanal eine größere Havarie eines Containerschiffes gegeben hat?“

Endlich meldete sich der Kapitän des Frachters bei dem Notar. Friedrich herrschte ihn mächtig am Telefon an. „Sind sie blöd, mich

37

ohne Informationen über den Verbleib des Containers hier in Norden zu lassen! Das Scheißding stand plötzlich mitten im Watt auf dem Trockenen und wurde natürlich von der Polizei geborgen! Wie sollen wir jetzt reagieren?“ Am anderen Ende der Leitung gab es plötzlich ein Freizeichen, der Teilnehmer hatte aufgelegt. Der Notar war außer sich vor Wut und kramte in seiner Jackentasche nach seinem Notizbuch und blätterte darin Seite für Seite nach einem Namen mit einer Telefonnummer. Es sollte ein verhängnisvoller Anruf werden.

Im Radio hörte Maren Popken als erste die Meldung von einem Schiffsunglück vor der niederländischen Küste. Ein Containerschiff war mit einem Frachter zusammengestoßen und dabei gingen etwa 300 Container über Bord. Auf dem Containerschiff befanden sich über 1000 Container. Die Container trieben in der Fahrrinne, auch auf die Ost-

38

friesische Küste zu. Der Küstenschutz hatte Katastrophenalarm ausgerufen. In den Containern befanden sich auch hochgiftige Substanzen. Nach dieser Nachricht änderte sich die Sachlage im Mordfall „Container“! Die KTU meldete sich bei Maren und meldete einen wichtigen Fund. Bei einem der Leichen wurde eine Art Tagebuch gefunden, es war in Arabisch abgefast und wird gerade von den Spezialisten über setzt. Maren informierte die Kollegen sofort von den sich überschlagenden Ereignissen und dem wichtigen Fund. Sie hatten eine Spur und vielleicht auch bald Namen und Hintergründe. Es machte sich eine gewisse Zuversicht bei den Kommissaren breit.

die weiteren Folgen des gesamten Romans erscheinen jeweils zum Wochenende, hier und über die Fb-Gruppe Dornumer Nachrichten.

Wir stellen Ihnen in Kürze den Autor dieses Kriminalromans, Lutz Müller vor. Lutz Müller lebt in Norden.

Abdruck und unberechtigtes Teilen sind nicht gestattet und führen zu rechtlichen Konsequenzen. Alle Rechte beim Autor.

Kategorien
Kriminalromane Literatur

„Todes Container im Wattenmeer“ (1)

Kommissar Berger – Mord in Norden

von Lutz Müller

ein Küstenkrimi – Folge 1


W i d m u n g

Mein Dank gilt meinem Sohn
Alexander, Kriminalkommissar in Berlin, für seinen fachlichen Rat!


Berger atmete tief ein. Dann aus und dann wieder ein und wieder aus. Wie gut das tat! Diese würzige, nach Salz schmeckende Luft. Da mischte sich ein ihm bekannter Duft in seine Sinneswahrnehmung, der Geruch von gebratenem Fisch. Es überkam ihm ein Gefühl von zu Hause zu sein, der Duft kam herüber geweht vom Fisch Restaurant am
Hafen.              .
Berger unterbrach die Atemübung, die ihm sein Therapeut gegen seinen Stress und seine immer wieder aufflammende Depression empfohlen hatte. Die Verstimmung die sich, in seinem Einsatz als Polizist in Afghanistan, als Folge einer im Kampfeinsatz gegen die Rebellen erlittene Schussverletzung, einstellte. Er hielt kurz inne, ignorierte die Sirene
der in den Hafen von Norddeich einlaufenden Fähre aus Norderney. Er und seine Renate, seine Frau und Kollegin, fühlten sich in ihrem Ferienhaus in der Stadt Norden sehr wohl. Seine Spaziergänge am Strand in Norddeich führten ihn jedes Mal hier hin in den Hafen an den Fähranleger. Es war eine Art von Ritual, er beobachtete das Anlegen der Fähre und die Fahrgäste beim Aussteigen. Je nach Wetterlage spiegelte sich in ihren Gesichtern „das grausam durchlebte“ der rauen Überfahrt. Es machte ihm großen Spaß zu den Gesichtern, sich eine Geschichte auszudenken. Die lange Zeit die er mit seiner Frau als Haupt Kommissar zusammenarbeitete, war eine unschätzbar wichtige Zeit und Erfahrung. Die Arbeit hat sie auch privat zusammen geschweißt, einer konnte nicht ohne den Anderen. Da waren ihre Freunde und Kollegen, die kleine aufgeweckte Kommissarin Maren aus Aurich und die Kommissare vom LKA in Hannover, zusammen waren sie ein unschlagbares Team. Jeder hatte seine Marotten und doch passten sie einfach kongenial zusammen. Vom Unterbewusstsein    gesteuert, griff Berger an die Stelle seines Körpers, wo seine Dienstwaffe sich befinden sollte. Es war immer so, mehrfach am Tage kam diese unterbewusste Handlung zustande, nur dieses Mal war da keine Waffe. Berger stutzte, es ging ihm plötzlich ein Aha Effekt durch seine Merkzellen! Die Dienstwaffe lag gut weggeschlossen in seinem Dienstzimmer in Hannover, weil er ja in Ostfriesland in Urlaub war. Aber es folgte eine weitere, sich anschließende Zwangshandlung, er prüfte und suchte in seinen Taschen nach seinem    Autoschlüssel, meistens, wie auch jetzt, mit Erfolg. Es zeichnete Berger aus, sich selbst nicht zu Ernst zunehmen.
Konstantin nannten ihn eigentlich nur Fremde, entweder Berger, oder für Freunde Konsti, wurde er angesprochen. Berger schaute in die ferne Wattlandschaft, denn das Wasser war wieder einmal weg und gab den freien Blick auf das Watt und bei genauerer    Betrachtung auch auf das Krabbelgetier und die Wattwürmer. Dieses Mal aber sah er mitten im Watt einen großen Gegenstand stehen, Berger suchte wieder einmal an diesem Vormittag etwas in seinen Taschen, sein Fernglas. Er trug es seitdem er hier an der Nordseeküste Urlaub machte griffbereit bei sich, um die Vogelwelt am Meer zu beobachten. Hier auf den Salzwiesen in Norddeich sammelten sich im Herbst und im Frühjahr die Gänse vor und nach ihren langen Flug nach Süden in ihre Winterquartiere. Es war kein besonders teureres Glas, aber für seine Zwecke gut genug.
Er fingerte es aus seiner Allwetterjacke die mit vielen nützlichen und unnützlichen großen und kleinen Taschen bestückt war. Berger hatte etwas Mühe das Glas scharf zustellen, seine Sehstärke musste bald überprüft werden, bevor der Polizeiarzt sie beanstandete. Hoffentlich nicht ständig eine Brille tragen, dachte Berger und verdrängte auch gleich den Gedanken. Dann war das Objekt scharf gestellt und Berger erkannte einen großen blauen Container mit gelber Beschriftung, nach nochmaligen scharfstellen las er das stark verwitterte: „Asia Line“.

Wahrscheinlich war für Maren dieser Moment, um 7 Uhr morgens auf dem Gulfhof ihres Vaters, in der Krummhörn, die schönste Zeit des Tages, ja des Lebens. Das Gulfhaus, auch als Gulfhof oder Ostfriesenhaus bezeichnet, ist eine Bauernhausform, die im 16. und 17. Jahrhundert in Norddeutschland aufkam. Es ist ein Holzgerüstbau in Ständerbauweise. Das Gulfhaus verbreitete sich zunächst in den Marschen und anschließend in den friesischen Geestgebieten. … Maren Popken war Mitte Dreißig und wartete schon zu lange auf den ersehnten Heiratsantrag ihres langjährigen Freundes. Nach dem melken der letzten verbliebenden Kühe auf dem Hof ihres alten Vaters saßen sie vor dem ostfriesischen, mit Reet (Stroh) gedeckten    Backsteinhaus unter einer genauso alten Linde und tranken schweigend ihren Ostfriesentee in kleinen Schlückchen, erst das Wölkchen, beim zweiten Schluck den schwarzen unverfälschten Schwarztee und dann das Finale, den süßen „Kluntje- Rest“, der verbleibende Rest des aufgelösten Kandiszuckers. Nichts konnte die kleine rothaarige Kommissarin besser auf den Arbeitstag einstimmen. Maren war Kommissariats Leiterin in Aurich, sie war eine bildhübsche, mit ihren zarten Gesichtszügen und den süßen Sommersprossen, energische Person. Maren konnte sich keinen anderen Ort vorstellen, wo sie lieber leben würde. Die weite des Landes, die Küste, das Wattenmeer und die unverfälschten Menschen hier in Ostfriesland. Ihre Freunde vom LKA Hannover, Konsti und seine Renate, die Profilerin, und Jochen Schulz, sie waren fast zu ihrer Familie geworden. Sie fühlte sich beruflich angekommen und ausgefüllt. Konsti und Renate machten wieder Urlaub in ihrem Ferienhaus in Norden, sie hatten sich kurzfristig telefonisch bei ihr gemeldet. Das lief fast immer gleich ab, sie verabredeten sich zu Ausflügen auf einer der 7 Inseln und zum gemeinsamen Grillen im Garten der Bergers.
Nun tranken Tochter und Vater die dritte Tasse Tee, es war Ostfriesenrecht, „Geht’s dir gut?“ fragte Maren ihren Vater. „Jou“, antwortete er wie gewohnt wortkarg. „Is wie es ist, nützt ja nichts“ Kam mit Verspätung seine Zusatzerläuterung. Dann war die morgendliche Konversation beendet. Ein Handy klingelte mit einem bekannten kleinen Lied, „Freude schöner Götterfunken“, es war Marens, aber wo lag es versteckt, Maren war nicht gerade die Ordentlichste beim Umgang mit ihrem Handy und ihrem Dienstausweis. Der Vater bewegte sich unerwartet und suchte unter einem Sitzkissen auf dem Nachbarstuhl nach dem Handy und wurde fündig, wortlos überreichte er das Telefon, was noch immer Klingeltöne von sich gab, an die verstört dreinschauende Maren. Etwas umständlich strich die Kommissarin zum Öffnen über die Schaltfläche des Handys und es meldete sich die ihr bekannte Stimme ihres Kollegen vom Kommissariat aus Aurich. „Moinsen Frau Kommissarin, uns wurde aus Norddeich eine eigenartiger Fund gemeldet, ein Container im Watt!“ „was ist daran so seltsam Kollege? „Es gab kein Sturm in den letzten 4-5 Tagen an der Ostfriesischen Küste und es wurde auch kein vermisster Container von irgendeinem Containerschiff gemeldet!“Konnte der Container schon geborgen werden?“ Nein Frau Popken, es wird noch auf Hochwasser gewartet, dann kann ein Spezialschiff die markierte Stelle anlaufen und den Container bergen. Aber es gibt noch eine seltsame Nachricht, ein Konstantin Berger vom LKA Hannover hat diesen Fund im Watt gemeldet!“ „ Nö, wirklich? Unser Konsti auf Containerfang in Norddeich? Haben sie ihn zu uns einbestellt?“ „Na klar, er wollte sowieso Sie sprechen, er ist in ca. einer Stunde im Kommissariat in Aurich!“ Maren grinste über ihr ganzes Sommersprossengesicht, so schnell hatte sie nicht mit einem Wiedersehen gerechnet.
Die 60 Plus Gruppe auf dem Marktplatz in Norden, ein herrlicher alter und wohl der größte Marktplatz in Norddeutschland, mit einem breiten Weg aus Sand um den mit altem Kopfsteinpflaster bestückten Marktplatz herum und an der hinteren Seite die Ludgeri Kirche , war der geeignete Ort zum Spielen. So an die 20 rüstige Frauen und Männer, hielten eine Eisenkugel in ihren Händen und kullerten diese nacheinander, um einer kleinen roten Kunststoffkugel, nicht größer wie eine Murmel, aus der Erinnerung ihrer Kinderzeit, so nahe wie möglich zukommen. Es war für den Betrachter des Spielverlaufes
nicht auf Anhieb auszumachen, ob es sich um Boccia, oder um Boule handelte. Das tat aber dem Spaß der Spieler keinen Abbruch, im Gegenteil, es wurde bei jedem guten Wurf gejohlt und gelacht und sich gegenseitig mit den Händen abgeklatscht. Wer das Spiel und die Spieler genauer beobachtete konnte entdecken, dass einige Spieler sich am Rande des Spielfeldes vor jeden Wurf, beraten haben. Bei genauerer Beobachtung der Spieler, hörte man    Fetzen des Gespräches. Dabei ging es scheinbar nicht um das Spiel. Einer von diesen Männern war ein Notar, keiner der Gruppe wusste etwas über ihn und seine Vergangenheit, er war geschickt genug Fragen nach seiner früheren Arbeit auszuweichen. Die beiden Herren mit die er flüsterte, waren so um die 60 Jahre alt, es waren offensichtlich Ostfriesen, denn man hörte den ostfriesischen Dialekt heraus, sie sprachen kein reines Friesisch, sie bemühten sich redlich mit dem Notar Hochdeutsch zu sprechen. Die beiden Männer waren als Gästespieler zum ersten Mal dabei, keiner deranderen Spieler kannte sie, außer dem Notar. Der kleinere der beiden Alten hatte wenig Kopfhaar, man konnte keine Frisur erkennen. Das Gesicht wirkte grobschlächtig, ein wenig wie ein Seebär, die von der Sonne gebräunte Gesichtshaut wurde von einem ungepflegten Dreitagebart teilweise verdeckt und die starken Gesichtsknochen ließen die Stahlblauen Augen in Höhlen verschwinden. Der scheinbare Partner hatte das Gesicht eines Boxers. Eine hohe Stirn und eine Glatze gingen nahtlos ineinander über, die Augenbrauen waren schwülstig und wohl mehrfach genäht worden und die Nase war der Hit, sie wirkte wie aus Gummi und man erkannte sofort das sie mehrfach gebrochen war. Das Gesicht war bartlos, aber der hatte auch keinen Platz in diesem zerknautschten Antlitz. Diese Gestallten passten sogar nicht zu dieser seriösen Spielergruppe der 60 Plus Generation aus Norden. Das teilten die Spieler nach dem Spiel, beim Kaffeetrinken in der Cafeteria der Kreisvolkshochschule Norden, dem Notar mit. Sie wollten diese beiden Herren nicht in ihrer Gruppe haben. Der Notar, er hieß Friedrich, heuchelte    Verständnis und wollte mit den beiden Männern diesbezüglich sprechen. Die Angelegenheit schien erst einmal damit erledigt. Aber Friedrich brauchte den Kontakt zu den beiden Männern dingend und das unauffällig, zum Beispiel beim Boccia spielen auf dem Marktplatz. Er musste sich etwas einfallen lassen.
Berger glaubte seine Entdeckung war nichts anderes als ein über Bord gegangener Container gefüllt mit Fernseher, oder Überraschungseiern. Also ein gewöhnlicher Havarie Schaden. Er informierte seine Renate und fragte sie, ob sie mit nach Aurich zu Maren mitfahren wollte. Denn seine Aussage dort auf dem Kommissariat war für ihn nur eine Formsache, also schnell erledigt und dann könnten sie gemeinsam mit Maren Essen gehen. Renate zögerte nicht lange, dann gab sie grünes Licht und Konsti holte seine Renate von ihrem Ferienhaus in Norden ab.Berger war eine für seine 58 Jahre gutaussehende, sportliche Erscheinung. Seine 1.90m Körpergröße, mit gepflegtem Vollbart, zeigte eine imposante Präsenz.    Er hatte so seine Eigenheiten, er war ein Genießer, er aß nur mit besten Zutaten gekochte Speisen, dazu trank er einen ausgewählten französischen Rotwein und rauchte danach eine Havannazigarre. Einmal in der Woche kochte er mit seiner Renate ein besonderes Menü in seiner sehr extravaganten Küche in Hannover. Beide waren leidenschaftliche Golfer, wo und wann immer es möglich war spielten sie eine Golfrunde mit Freunden auf einen der vielen Golfplätze in und um Hannover herum. Auch bei ihren Aufenthalten in Norden nutzen sie die Möglichkeit auf der nur 3 Km entfernten Golfanlage des Golf
Club Schloss Lütetsburg zu spielen. Zu den Golfspielen kamen die Bergers durch einen früheren Fall in Berlin und in Hannover, sie ermittelten gemeinsam bei einem Mordfall im Clubhaus einer Golfanlage. Um Undercover im Golf Milljöh ermitteln zu können nahm Berger in dem Club Golfunterricht. Er wurde wie seine Renate von den Golfspielen infiziert und so wurden sie sehr gute Spieler. Die Fahrt mit ihren Dienstwagen verlief reibungslos, sie fuhren von ihrem Ferienhaus direkt auf die Umgehungsstraße die B72 Richtung Georgsheil, dort bogen sie an der großen Kreuzung links ab und immer geradeaus Richtung Aurich. Es war eine einfache bekannte Strecke für die beiden Kommissare aus Hannover, es dauerte je nach Verkehrslage nicht mehr als 40 Minuten. Auch an diesem Tage gab es keine Staus oder andere Verzögerungen und so kamen sie guter Dinge in Aurich im Kommissariat an. Maren hatte einen längeren Weg von zuhause nach Aurich ins Kommissariat zurück zulegen, sie kam einige Zeit später nach Konsti und Renate dort an.
Hauptwachtmeister Jansen aus Norden bekam den Auftrag, auf dem Bergungsschiff, bei der Bergung des gestrandeten Containers anwesend zu sein. Er stellte schnell fest, warum er nicht zur Wasserpolizei gegangen war, sondern seinen Dienst an Land, mit festem Boden unter seinen Füßen, versah. Das Bergungsschiff musste, um an die markierte Stelle im Wattenmeer zukommen, zwischen den Inseln Juist und Norderney, sich quer zum Wellengang legen. Was dazu führte, dass sich das Schiff aufschaukelte und jede einzelne Welle das Schiff von der Seite traf. Jansen wusste nun sehr schnell, dass er nicht Seefest war, es überkam ihm eine Übelkeit und er fütterte die Fische und das nicht nur
einmal. Seine von der Seeluft leicht gebräunte Gesichtshaut verfärbte sich zu einem unansehnlichen Oker. Die anderen Besatzungsmitglieder waren einiges an Seegang gewöhnt und hielten sich mit Bemerkungen sichtlich mitfühlend zurück. Das Schiff musste nun an der markierten Stelle gehalten werden, damit der Krahn an Bord, seinen Ausleger Zielgenau über den Container im Wasser ausrichten konnte. Die zwei Taucher des Bergungsschiffes tauchten jetzt ab und vertäuten am Wattboden den Container.
Nun bewegte sich erst ruckartig, dann langsam der Container nach oben an die Wasseroberfläche, nun konnten alle, auch Jansen den Container sehen. Wasser floss aus verschiedenen Löchern. Dann stand der Container sicher an Bord des Bergungsschiffes. Nun wurde er fachgerecht gesichert, damit er nicht noch einmal von Bord eines Schiffes
fallen konnte. Als auch der Krahn gesichert war fuhr zur Freude von Hauptwachtmeister Jansen, das Bergungsschiff wieder in die Fahrrinne    Richtung Norddeich- Mole. Jansen war nun klar, er fuhr ganz bestimmt nicht ein weiteres Mal hinaus aufs Wattenmeer, denn er würde sich krankmelden. Jansen sah den Anleger im Hafen von Norddeich auf sich langsam zukommen und immer deutlicher zeichneten sich die Menschen am Kai ab und wurden zu Polizeikollegen aus seinem Revier aus Norden. Endlich wieder festes Land unter den Füßen, ging es Jansen durch den Kopf. Seine Kollegen und er schauten unaufgeregt der Entladung des Containers zu. Als der Container so auf dem Pier stand, tropfte es immer noch aus vielen Löchern Wasser heraus. Ein Zollbeamter öffnete etwas umständlich die verriegelte Tür des Containers und es schwoll eine braune Brühe ihnen entgegen.
Es hatte sich eine kleine Menge von schaulustigen Frauen und Männer am Kai angefunden und bestaunten den Vorgang und einige filmten und fotografierten was die Situation hergab. Jansen beobachtete beiläufig, dass ein älterer Mann, er wirkte wie ein ehemaliger Boxer, sich besonders für den Container und seine vermeidliche Fracht
interessierte. Die Situation war bei Jansen abgespeichert, wie bei einer zufälligen Zeugenbefragung eines Unfallzeugen. Gesehen und gespeichert. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Inhalt des Strandgutes, eine Kollegin betrat als erste den Container und Jansen und alle im Umfeld hörten einen entsetzlich schrillen Schrei einer Frau! Es war die Stimme seiner Polizeikollegin im Container.
Die Begrüßung der Kommissare im Kommissariat in Aurich fiel wie gewohnt herzlich, aber nicht überschwänglich aus. Einmal im Monat kamen Konsti und Renate am Wochenende nach Norden und die drei trafen sich fast jedes Mal. Es gab immer etwas Interessantes zu bereden, ob beruflich oder privat. Dieses Mal hatten die beiden Bergers Urlaub und sie wollten eine ganze Woche in ihrem Ferienhaus bleiben. Es gab also viel zu besprechen, wann und wo sie gemeinsam eine Toudie weiteren Folgen des gesamten Romans erscheinen jeweils zum Wochenende, hier und über die Fb-Gruppe Dornumer Nachrichten.r durch Ostfriesland machen wollten. Beim letzten Besuch der beiden Hannoveraner waren sie mit dem Fahrrad unterwegs von Norden über Hage nach Dornum. Sie besuchten dort das Ritterfest, ein mittelalterliches Spektakel, es war dort am Schloss ein mittelalterlicher Markt mit Ständen aufgebaut, die Verkäufer bedienten die Besucher in Trachten des Mittelalters. Ritterspiele mit Schwert und Axt und zu Pferde machten die Veranstaltung zu einem tollen Event.
Maren schlug den Freunden eine Torfkahnfahrt, von Berumerfehn durch die Fehnlandschaft im Hochmoorgebiet, vor. Nach einer kurzen Diskussion einigten sich die drei Freunde auf diesen Ausflug.

die weiteren Folgen des gesamten Romans erscheinen jeweils zum Wochenende, hier und über die Fb-Gruppe Dornumer Nachrichten.

Wir stellen Ihnen in Kürze den Autor dieses Kriminalromans, Lutz Müller vor. Lutz Müller lebt in Norden.

Abdruck und unberechtigtes Teilen sind nicht gestattet und führen zu rechtlichen Konsequenzen. Alle Rechte beim Autor.