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Corona Korea

Test, Poker und wachsende Todeszahlen

Nachbessern ist ein Wort, das voraussetzt, das zuvor etwas nicht gut war. Vielleicht auch schlecht. Das, was in Deutschland bisher im Kontext mit Corona abging kann man eigentlich nur als schlecht bezeichnen. Ein Urteil, was auf den Straßen schnell Bestätigung findet, wenngleich das Gemeinte dann auch der größte Gegensatz sein kann. Von der Gegenwart und aus Sicht der Wissenschaft betrachtet ist ein neuer Lockdown alternativlos. Zu lange zauderte und haderte man im Interessengeklüngel und das regressive Infantilitätsgehabe tobte in den Sozialen Medien.

Dabei, man hätte wissen können, denn über die Gefährlichkeit und das Ausmaß der Bedrohung wusste man bereits recht früh. Asien kennt wiederholte Epidemien und musste Erfahrungen sammeln. Belächelt wurde bei uns das bekannte Bild von Touristen aus Asien, die sich selbst hier in Europa nicht von der heimischen Gewohnheit des Maskentragens freimachten. Als dann die Bedrohung nach Europa überschwappte und in eine Gewissheit wandelte, zögerte man sich der Gefahr zu stellen. Ich erinnere mich an das letzte Frühjahr, wir kamen von einem längeren Aufenthalt in Korea zurück und standen hier in Deutschland erstaunt vor sorglosen Menschenansammlungen. Journalistische Anfragen bei Kommunen und Universitätskliniken erbrachten zunächst eine Diskriminierung von Stoffmasken, wenngleich man sich später zu dem Gebrauch derselben durchrang und zum Tragen aufrief. Flächendesinfektionen, nein, die seien nicht zielführend, man berief sich auf einzelne Medizinermeinungen, bzw. den Standards der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Zufallstestungen und ein kostenfreies Testangebot, nein das sei „Ressourcenverschwendung“.

Wissenschaftsvermittlung über Talkshows und Politiker mit Selbstdarstellungsdrang auf allen Kanälen und im Netz. Politiker, die sich selber über Tagebücher verewigen und ihren Einsatz lobend in den Fokus der Öffentlichkeit schieben…, „Mein Kampf gegen Corona…“, wichtig genug scheinend, die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Dann folgte diese AHA Regel, die Abstand und eine griffige Formel bot, aber kaum als Aha-Erkenntnis zu bewerten war. Denn bis dort, wo es Rat hätte geben können, drang westlicher Forschungswille nicht vor. Heute stehen wir vor nackten Fakten und Wissenschaftlichkeit sollte nur auf sie, nicht auf Meinungen setzen. Mittlerweilen beklagen wir mehr als 75000 Tote und horrende Infektionszahlen. Unsere Bevölkerungszahl liegt bei knapp über 80 Millionen Menschen. Korea, dicht an der Quelle der Epidemie hat über 50 Millionen Menschen. Dort sind bisher weniger als 2000 Menschen gestorben, so circa 7-8 tausend Infizierte. Nachbar Japan beklagt um 7000 Tote und weist um 14000 Infizierte auf. Wenn es eines Beweises bedürfte, Korea konnte es besser und es lässt sich nicht auf Zufall gründen, dass die Epidemie dort einen anderen Verlauf nahm.

Strikte Kontrollen beim Betreten von Kaufhäusern mit Temperaturfühlern

Worauf gründet sich der bisherige Erfolg der Koreaner? Hat er eine methodische Grundlage? Ja, er hat Methode. Denn schnell nach Beginn der Epidemie raufte sich die Politik zusammen und leitete strikte Maßnahmen und Aufkläungskampagnen ein. Zur Zeit unserer Abreise von Korea im Vorjahr bestimmten Informationshinweise im koreanischen Fernsehen die Programme. Masken, Desinfektion und ein wirksames Benachrichtigungssystem, die akribische Nachforschung und Begleitung von Infizierten, öffentliche Regelungen für Abstand und Hygienemaßnahmen wurden Alltag und mit Einsicht von der Bevölkerung hingenommen. Es gab kleinere Rückschläge, die auf religiös fanatische Gruppen und auf Besucher des großstädtischen Nachtlebens zurückzuführen waren, meist mit der Folge einer juristischen Bestrafung der Verantwortlichen.

Koreas Städte haben eine enge Bebauung. Hochhausappartements sind komfortabel und beliebt

Zu Jahresbeginn reisten wir mit Ausnahmegenehmigung als Journalisten wieder nach Korea. Strickte Kontrolle und Testung waren schon vor der Abreise hier Voraussetzung. Gleichwohl wurden wir nach der Landung auf Incheon-Airport vollkommen abgesondert. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel untersagt und ein Taxitransport führte uns dann in unsere zuvor bestimmte Wohnung in Chungju, ca. 3 Autobahnstunden südlich von Seoul. Freiwillige Quarantäne für 14 Tage waren die Voraussetzung für unseren weiteren Aufenthalt von einem Monat. In der Wohnung angekommen wurden wir vom örtlichen Gesundheitsamt kontaktiert und am kommenden Tag von einem Krankenwagen zur örtlichen Teststelle gefahren. Die Ergebnisse der Negativtestung erreichte uns dann per Telefon und SMS. Gleich darauf brachte die Post ein Paket mit landesüblichen Lebensmitteln und Hinweisblättern, sowie Hand- und Raumdesinfektionsmitteln einschließlich Schutzanzug für deren Gebrauch. Wie wir erfuhren, wurde dieses Paket jedem positiv Getesteten und den unter Quarantäne stehenden kostenfrei von der Gemeinde vor die Türe gestellt. Schön zu wissen, dass die Gemeinde sich in der Extremsituation um ihre Bürger kümmert. „Complience“, also die Bereitschaft zur Mitarbeit von Bürgern kann durch kleine Geschenke sicher beeinflußt werden. Natürlich verwies man uns darauf, dass wir jederzeit Kontakt zu unserem Ansprechpartner im Gesundheitsamt aufnehmen könnten, was in Anbetracht häufiger freundlicher Rückrufe des Amtsarztes sich erübrigte. Kontrolle kann auch sehr freundlich sein. Mit viel Verständnis für die Situation tröstete er uns überhöflich für unser eingeschränktes Dassein.

Touristische Ziele sind auch in der Pandemiezeit zugänglich.

Nach 14 Tagen Quarantäne folgte eine weitere Testung und wir waren frei. In Korea spielt sich das öffentliche Leben weitgehend normal ab. Markttage, Besuche von Restaurant und Café sind möglich. Allerdings immer mit Offenbarung von Namen und Telefonnummer, Handdesinfektion an den Eingängen und natürlich Abstand. Bestimmte Tische und Plätze sind als gesperrt ausgewiesen. Selbst Kirchen gestalten ihre Aktionen unter den strengen Sicherheitsbedingungen. Gewöhnungsbedürftig sind die zahlreichen Hinweise auf Positiv-Verdachtsfälle, wenn die Warnung das Mobiltelefon zur Aktion bringt. Dann werden Straßenzüge, Aufzüge und Treppenhäuser desinfiziert und die Nachbarschaft auf Vorsichtsmaßnahmen verwiesen. Tatsächlich desinfizieren die Koreaner alle Kontaktflächen von Menschen und halten das für unabdingbar. Hier in Deutschland konnte ich in einer Ruhrgebietsstadt nicht einmal offizielle Desinfektionsanweisungen für Schulen erfragen, ein Stadtdirektor teilte mir mit, der Aufwand sei nach seinen Erkenntnissen nicht notwendig. In Korea gelten gerade für die Schulbereiche sehr hohe Sicherheitsbestimmungen.

Dienstleistungsbetriebe sind geöffnet. Auch hier strikte Maskenpflicht.

Die Einreisebestimmungen für Korea sind sehr streng. Arbeits- und Schulvisa können erteilt werden, sind dann aber an Auflagen gebunden und mit Kontrolluntersuchungen überwacht. Die touristische Einreise und der unbegründete Verwandtschaftsverkehr sind unmöglich. Die breite Auslandsberichterstattung mit den katastrophalen Coronabilanzen in Europa und insbesondere in Deutschland führt bei Koreanern zu Unverständnis. Das Geschehen hier wird besonders beachtet, da das Interesse an Deutschland bei den Koreanern allgemein ausgeprägt ist. Das Bild von den Deutschen mit guten Organisationsfähigkeiten und Disziplin kommt durch Corona ins Zwielicht.

Gastronomie ist unter Einhaltung von Abstandsregelungen möglich

Worauf gründet sich augenscheinlich der durch Zahlen belegbare Erfolg der Koreaner? Man handelte von Beginn an mit gewohnten Abwehrmechanismen wie Maske und Desinfektion. Abstand ist in der koreanischen Kultur ohnehin verankert, man verneigt sich voreinander in Abstand, der Höflichkeit geschuldet.

Frühere Epidemien boten eingeübte Verhaltensmuster. Diskussionen um Freiheitseinschränkungen, gar offene Proteste sind nicht vorhanden, man handelt aus Einsicht in wissenschaftliche Ergebnisse. Die Sauberkeit öffentlicher Einrichtungen ist besser als in Deutschland. Die Begründung öffentlicher Maßnahmen erfolgte in breiter Form in den Medien und ein Regierungsprogramm zur Bekämpfung der Epidemie mit Auflistung aller Maßnahmen wurde sehr früh vorgelegt. Es ist auch in Englisch verfügbar und der internationalen Öffentlichkeit nicht verschlossen (wir veröffentlichen es hier im Folgenden). Derzeit finden in Korea die Impfungen statt, bei der Priorisierung folgt man den Empfehlungen der WHO.

Hätte Deutschland eine andere Perspektive gehabt? Aus der Außensicht kann das klar bestätigt werden. Entscheidungsschwäche, Organisationsversagen und halbherzige Maßnahmen dürften das schlechte Abschneiden im Vergleichsfall bedingt haben. Vielleicht ist das jetzige Hoffen auf Erfolge durch eine mit erneuten Organisationspannen gespickte Impfstrategie auch die Hoffnung sich nicht einer Verantwortungsdebatte stellen zu müssen. Ein Hoffen auf Vergessen und der Einrede der Alternativlosigkeit? Dann bliebe das Urteil über Corona und die Todeszahlen den Historikern überlassen, die dann aber die eurozentrische Sichtweise verlassen müssten.

(stk., Fotos: die-erle.de)

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Kommentare Politik

Jammerweihnacht 2020

Nun kommt wohl, was nach Ansicht ernstzunehmender Wissenschaftler schon lange hätte kommen sollen. Die strengere Gangart im öffentlichen Raum ist unabdingbar, denn in Anbetracht einer tödlichen Bedrohung ist das Setzen auf Freiwilligkeit und Einsicht eher eine waghalsige Hoffnung gewesen. Wenn Weihnacht als Zeit der Hoffnung von Gläubigen gesehen wird, bietet das Bild der Realität nicht nur in den Intensivstationen Ohnmacht und Elend. Dabei war die Entwicklung des Pandemiegeschehens vorhersehbar und auch durch den Vergleich mit Staaten, die eine frühere Entwicklung hatten, im Verlauf beschrieben. Der Föderalismus hat in der Bewältigung des Panademiegeschehens kein positives Bild gezeichnet. Dabei hätte man sich an anderen Staaten orientieren können, Südkorea hatte eine viel konsequentere Haltung eingenommen. Zwar hatte es auch dort Ausrutscher gegeben, wenn in Kirchen oder Nachtclubs unter dem Trieb der Vergesellschaftung wider alle Vernunft die Regeln nicht anerkannt wurden. Während wir uns nun eine Schockstarre über Weihnachten und Jahreswechsel verordnen, ist das öffentliche Leben in Südkorea kaum beeinträchtigt. Fragt man nach der Ursache für die Differenz, kommt man um eine Erkenntnis nicht herum, die Disziplin der Asiaten und die Einsicht in Notwendigkeiten sind ausgeprägter als in unserer Spaßkultur. Ein Phänomen ließ sich aber bei uns mit Beginn der Seuche beobachten. Vermeintliche Experten, als Politiker oder Verwaltungsfunktionsträger, traten wo immer möglich ins Rampenlicht oder setzten sich selbst über die sozialen Medien in Szene. Da konkurrierten dann Verwaltungsbeamte, Bürgermeister und Politiker mit Ratschlägen, „Erfolgsberichten“, gespickt mit den jeweils neuesten Zahlen „Wiedergenesener“ und Toten via Facebook, Twitter etc., um ja auf ihren Einsatz zu verweisen. Corona sprengte die Nachrichtenfesseln und führte zur persönlichen Kriegsberichtserstattung von der Pandemiefront. Müßig auf die Nachrichten der Tageszeitungen zu warten, wenn doch die neuesten Zahlen via Facebook von den Verwaltungsakteuren direkt abgeklickt werden können. Distanzen wurden in den Sozialen Medien, in denen das System die „Du-Befreundung“ schon vorgaukelt, vollständig aufgegeben. Das Buhlen um Gunst und Ansehen jenseits von Wahlkämpfen aus der „Macher“ Perspektive. Das die Freiheit des Politikers aber Distanz zu allzu wirtschafltich gedachten Bedenken benötigt, um auch unpopuläre Maßnahmen einfordern zu können, schien vergessen. Erst jetzt bringt das Leid der großen Zahl die Panik und entschuldigende Geste über das zurückliegende Zaudern und Taktieren. Nein, analysierend Zurückschauen möchte man nicht, die Gegenwart ist grausig genug, der Rückblick käme an der Frage des anfänglichen Versagens nicht vorbei.

Ich erinnere mich an den Beginn der Entwicklung. Ich kam gerade von Südkorea zurück, wo wir durch überall sichtbare Veränderungen und pausenlose Beiträge in Funk und Fernsehen auf die neuen Verhaltensnotwendigkeiten vorbereitet waren. Überall Desinfektionsmittel, selbst in Toiletten, die öffentlichen dort allgemein sauberer und kostenlos in größerer Zahl bereitstehend, als wir dies aus unserer heimischen Großstadt kennen. In Kaufhäusern, Hochhausfluren und Aufzügen, überall Menschen mit Masken. Weitgehend selbstgenähte, häufig modische Modelle, immerhin gehört es ich in Korea, daß man auf der Straße wohlgekleidet ist. Mir selbst fällt auf, daß mich Unbekannte auf einmal direkt in Koreanisch ansprechen, wo ansonsten das wohl mit englischen Vokabeln erfolgt wäre. Schnell erschließt sich mir mein Ansichtswechsel… Koreaner tragen auch im Alter Grau und nun fehlte die ansonsten dominante Nase des Europäers, elegant durch die Maske verdeckt. Der Wechsel nach Deutschland führt zu entsetztem Erstaunen. Bereits am Flughafen Menschengruppen in enger Zuwendung. Nein, Corona ist doch weit weg. Es folgen die Monate im Kompetenzgerangel und Freiheitsdiskussionen, die an philosophische Erstseminare erinnerten. Wenn der Eimer der Vernunft aber nun ein Loch hat, predigt selbst der/die Weise in die Wüste. Jochen Steffens Wort, „Junge, du wirst noch mal eine Zeit erleben, da wird nicht mehr regiert, da werden Mängel verwaltet.“ kommt mir in den Sinn. Als Schüler noch, traf ich auf ihn im Rahmen einer gesellschaftspolitischen Veranstaltung in der Essener Volkshochschule. Das von ihm beschriebene Szenario offenbart sich nun in der Krise. Die Politik wird in wichtigen Fragen handlungsunfähig, selbst da, wo in der Bevölkerung bei konkreter Umsetzung Verständnis zu erwarten wäre. Stattdessen dominieren Unvernünftige und agitierende Minderheiten die Leere.

In meiner Herkunftsfamilie hörte ich oft die Floskel, „ihr könnt da ohnehin nicht mitreden, ihr habt ja noch nichts mitgemacht.“ Die Alarmbereitschaft in den Bombennächten, das Bergen von Leichen aus zerbombten Kellern, nein, das entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Ob sie, längst verstorben, heute die Belastung ausbleibenden Besuchs, oder das Maskentragen wohl beklagen würden? Klagen war ihnen ja bereits als Kinder aberzogen worden, aber ich bin sicher, sie wären furchtloser als viele Zeitgenossen, denn der Feind ist bekannt und man kann handeln. Die Freiheit zur Handlung statt diffuser Ängste. Die Einsicht in das Notwendige der Handlung, das kein Zaudern duldet. Es ist die Kraft, die ich nicht im Verhalten vieler Politiker wiederfinde. Das Jammern der Einzelnen temporär nicht allein sein zu können, die Abhängigkeit vonfortwährender Vergesellschaftung, es ist symptomatisch für die Leere in einer Überflußgesellschaft, die dem Einzelnen den Anreiz zur Entwicklung einer selbständigen Persönlichkeit nimmt.

Ende Januar werden wir den interkulturellen Vergleich mit Korea fortsetzen können. Das notwendige C1 Visum zur Einreise ist durch das koreanische Justizministerium erteilt und gleich der Verhaltenskatalog unterschrieben, der uns eine 14-tägige häusliche Meditation vorschreibt. Bekannte, die in normalen Zeiten gerne mal zwei Wochen eine Auszeit in einem Kloster in der koreanischen Bergwelt nahmen, hätten derzeit keine Möglichkeit, Korea verweigert konsequent Besuchsreisen. Den Weisungen folgend werden wir also vom Flughafen aus auf dem Hintersitz eines Fahrzeugs, nicht sprechend und mit Maske unseren Zielord ansteuern und dort unsere Wohnung nicht verlassen. Die Literatur ist bereits ausgewählt und es wird sicherlich eine entspannte Zeit, bevor wir Ihnen dann weitere drei Wochen einen Einblick in den koreanischen Alltag unter Pandemiebedingungen übermitteln werden.

Bleiben Sie gesund, oder wie wir es in Ostfriesland zu sagen pflegen: Hol di munter. Zuversicht ist auch in der Krise die stärkste Kraft.

(stk)